Öko-Stadtteil mit Strohballendämmung

0

Schweriner Stadtteil – Entwicklung setzt auf Strohballendämmung

Es begann 1865 im Schweriner Stadtteil Schelfstadt: damals wurde der erste Eiskeller der Brauerei Schall & Schwencke durch das Bauordnungsamt genehmigt. 2014 konnte auf dem 37.000 m² großen ehemaligen Industrieareal das Richtfest für den ersten Neubau des Öko-Stadtteils „Alte Brauerei“ gefeiert werden. Planung und Realisation lagen bei der Schelfbauhütte.

Die Schelfbauhütte ist Architekturbüro und Bauunternehmung in einem, gegründet 2003 von Ulrich Bunnemann mit der Idee, alles aus einer Hand anbieten zu können – also die Funktion der klassischen Bauhütte weiter zu führen. Dabei ging es in erster Linie um ökologisch einwandfreie Sanierungen in der Denkmalpflege zum Festpreis. Heute kooperieren ca. 50 Handwerker der wichtigsten Baugewerke mit der Schelfbauhütte und haben bis jetzt fast 40 Gebäude (meist) in und um Schwerin saniert.

Stadtteilsanierung mit der Bauhütte

Die im Uferbereich des Ziegelsees gelegene Industriebrache „Alte Brauerei“ stand 25 Jahre leer, aufgrund der notwendigen Pfahlgründung erwiesen sich Neubauten an dieser Stelle als teuer. Die Idee der Schelfbauhütte, die bestehenden Gebäude zu erhalten und zu sanieren, erwies sich auch aus dieser Sicht als Erfolg versprechend. Daher kaufte das Unternehmen das Areal und entwickelte als Bauträger „Alte Brauerei GmbH & Co. KG“ ein Sanierungskonzept, das vorsieht, so viel Substanz als möglich zu erhalten. „Die bestehenden Gebäude weisen -je nach Baujahr- eine durchaus brauchbare Substanz auf und sie sind im Uferbereich pfahlgegründet“, erläutert Projektleiter Holger Diesing. Das Brauerei-Areal soll im Gesamtumfang etwa 120 Wohneinheiten in Ein- und Mehrfamilienhäusern aufweisen, darüber hinaus sollen ein Biomarkt (Haus 6), ein Gebäude für altersgerechtes Wohnen (Haus 16), Bio-Gastronomie und Hotel, Büros und Studentenappartements (Haus 20) entstehen. 2014 wurde das Richtfest des ersten Neubaus gefeiert und bis Ende 2016 wurden bereits 21 Wohneinheiten in diversen Gebäuden verkauft und bezogen. Ein Fotograf hat in Haus 9 ein Studio eröffnet und in dem als Dreifamilienhaus geplanten Null-Energie-Gebäude, das auf Holzstützen über dem Parkplatzbereich angelegt ist (Haus 7), findet das Architektur- und Bauträger-Büro mit 16 Mitarbeitern Platz. Dazu Diesing: „Da wir keinerlei Förderung erhalten, arbeiten wir nicht wie eine klassische Stadtentwicklung, sondern realisieren einzelne (Wohn-)Projekte, parallel dazu werden Straßen gebaut und Leitungen verlegt, dann wird verkauft. Auf diese Weise sanieren und verkaufen wir Gebäude um Gebäude und damit schreitet das Projekt voran. Wir sind flexibel, was die Entwicklung betrifft.“ Nach anfänglicher Skepsis der Stadt sei der aktuelle Baudezernent dem Projekt gegenüber positiv eingestellt.

Baufortschritt mit energetischem Anspruch

Die Mehrfamilienhäuser im Zutrittsbereich des Geländes weisen Reihenhaus-Charakter auf („1a“ und „1b“) und wurden als erste bezogen. Bei Haus 1a handelt es sich um einen früheren Verwaltungsbau, dessen Porenbeton-Wände und das Dach eine Außendämmung mittels Strohballen erhielten, Haus 1b ist ein Neubau, ebenfalls stroh-gedämmt – beide weisen Niedrigenergiestandard auf.

Der frühere Siloturm (Haus 3) weist fünf Geschosse mit fünf Wohnungen auf und ist bezogen, im obersten Geschoss genießen die Bewohner eine größere Raumhöhe. Die Bauaufsicht forderte für dieses Objekt Mineralwolle-Dämmung, das Dach wurde mit Strohballen gedämmt.

Ein Reihenhaus-Neubau (19c) ist als Wohnungseigentümer-Gemeinschaft mit acht Parteien bezogen. Bei diesen KfW 55 Objekten kommen zentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung zum Einsatz, in den Wohnzimmern sind Wandheizkörper angebracht. Auch das dreigeschossige Gebäude 19a mit 18 Wohneinheiten je 83 m² ist im Bau und wird mit Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung KfW 40-Standard erreichen.

Das frühere Sudhaus (4/5) ist im Bau und die 19 Wohnungen im KfW 70-Standard sind verkauft.

Das aktuell als Planer-Büro genutzte Gebäude wird durch Infrarot-Heizungen erwärmt, die (u.a.) von einer PV-Anlage auf dem Dach und einer 10 kW-Batterie versorgt werden. Die Energie für Heizung und Warmwasser kommt für alle Objekte als Fernwärme auf das Areal. Alle Fenster sind aus Holz und werden in der Dämmebene montiert.

Strohballendämmung

Besonderheit der Sanierung der Alten Brauerei ist aber der konsequente Einsatz der Strohballendämmung, die hier in das klassische Bauen integriert wird. „Erst einmal war die Frage, wo wir Stroh in hoher Qualität beziehen könnten. Wir fanden einen Landwirt, der Baustrohballen herstellt die vom Fachverband für Strohballenbau (www.fasba.de) geprüft und zertifiziert wurden. Wir sind von seinem Qualitätsniveau inzwischen so überzeugt, dass wir ihm jährlich 5000 Ballen Stroh abnehmen, natürlich nicht nur für dieses Projekt“, sagt Diesing. Stroh sei der Dämmstoff der Zukunft, für Schwerin sei der Erntebereich Mecklenburg-Vorpommern mit kurzen Transportwegen verbunden, denn die Felder lägen vor der Tür. Die Verarbeitung von Stroh weist aber noch ein hohes Potential von Verschlankung der Handarbeit auf. „Die Herausforderung beim Bau mit Strohballen ist, dass es beim Stapeln im Holzständer mit der Zeit absackt. Daher wird die letzte Ballen-Lage oft sehr gepresst, was zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Bei einer Familien-geführten Einfamilienhaus-Baustelle mag das akzeptabel sein, auf einer größeren Baumaßnahme jedoch nicht. Um Strohballen wirtschaftlich handhaben zu können, haben wir in Zusammenarbeit mit einem Kunststoff-Formgeber einen Strohballen-Anker entwickelt“, so Diesing. Die Vorgehensweise beim Anbringen: Auf die bestehenden Wände werden die Halter im Abstand eines Strohballens montiert. Die Ballen werden aufgesteckt, Latten davor geben Halt, dann werden die Schnüre der gepressten Ballen aufgeschnitten, damit sie sich ausdehnen und eine homogene Fläche entsteht. Eine Lage Holzweichfaser-Platte und Putz oder eine Holzschalung schließen die Fassade ab. Sogar der Transport der Strohballen wurde vom Schelfbauhütten-Team optimiert – es wurde eine Maschine gekauft, die 21 Ballen verpackt und Gabelstapler-fähig transportiert. Mit der Alten Brauerei wird Deutschlands größte mit Stroh gedämmte Siedlung entstehen.

Der zentrumsnahe Stadtteil Schelfstadt und Werdervorstadt sei heute bei Familien und Menschen mit alternativen Lebenseinstellungen gleichermaßen beliebt, so Diesing. Das wird sich möglicherweise mit dem Baufortschritt der Alten Brauerei noch verstärken.

Jörg Pfäffinger

www.altebrauerei-schwerin.de
www.schelfbauhuette.de

Leave A Reply