AktivHaus in Frankfurt

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Aktives Wohnen in Frankfurts Innenstadt

Bis zum Jahr 2050 soll der gesamte Stromverbrauch der Stadt Frankfurt mit erneuerbaren Energien gedeckt werden, wurde von Umweltdezernentin Manuela Rottmann verkündet.
Grundlage für ein derartiges Szenario sind Energieeinsparungen, gerade auch im Wohnungsbau und in der energetischen Sanierung. Ein Vorreiter in Sachen Niedrigstenergiehaus/Passivhaus als Wohngebäude ist die ABG FRANKFURT HOLDING, Wohnungsbau- und Beteiligungsgesellschaft, die bereits diverse derartige Objekte in ihrem 51.000 Wohnungen umfassenden Portfolio hat, meist im sozialen Wohnungsbau.
Im Sommer 2015 wurde ihr bisher ehrgeizigstes Projekt, das Aktiv-Stadthaus fertiggestellt und bezogen, das mehr Energie erzeugt, als es verbraucht.
Architekten sind HHS Hegger Hegger Schleiff aus Kassel, die Forschung lag bei der TU Darmstadt, Fachgebiet Entwerfen und Energieeffizientes Bauen, Prof. Manfred Hegger mit dem Steinbeis-Transferzentrum Energie-, Gebäude- und Solartechnik (STZ), Prof. Dr.-Ing. Norbert Fisch in Stuttgart.

Als größtes Plusenergie-Gebäude Deutschlands wurde das Aktiv-Stadthaus im Sommer 2015 von den Bewohnern bezogen. Das Gebäude im Gutleutviertel, beherbergt 74 Mietwohneinheiten zwischen 60 und 120 Quadratmetern. Jahrelang galt das 160 m lange und lediglich 9 m tiefe Grundstück als unbebaubar. Neben diesen schwierigen Abmessungen war der Geräuschpegel im Süden durch eine Hauptverkehrsstrasse und an beiden Schmalseiten durch Strassenkreuzungen ein Grund für das Brachliegen des Grundstücks – besonders für den Wohnungsbau war es damit tabu. Dass dort mit fast vollständiger Bauflächen-Ausnutzung ein 150 m langes Gebäude mit acht Geschossen entstehen sollte, galt als nicht realisierbar.

Hybridbau als ökonomische und ökologische Lösung

Um bei diesem ambitionierten Projekt der ABG auf die geforderten Werte zu kommen, waren diverse Massnahmen nötig.
Um möglichst ökonomisch und ökologisch sinnvoll zu bauen, sei die Entscheidung
auf eine Hybridkonstruktion gefallen, so Hegger. Nur die primäre Tragstruktur -Geschossdecken und Schottentrennwände- ist aus Stahlbeton, die gesamte Dach- und Aussenwandkonstruktion wurde in vorgefertigten Holzrahmenelementen erstellt. Hegger führt aus, dass sich nur so der Wandaufbau mit KfW-40 Standard (≤ 25 kWh/(m²·a) Heizwärmebedarf Qh) mit rund 47cm bei der Nordfassade (Eternitverkleidung) und bei der Südfassade mit rund 55 cm (Fassadenphotovoltaik mit Hinterlüftungsebene) schlanker erstellen lasse als in einer Massivkonstruktion. Damit ließe sich auf dem schmalen Grundstück mehr vermietbare Fläche realisieren, was wirtschaftlich und nachhaltig sei.

Haustechnik

Technisch basiert das Aktiv-Stadthaus auf einer wirtschaftlichen Reduzierung des
Energiebedarfs und der Bereitstellung von Energie aus lokal verfügbaren Energiequellen.
Eine wärme- und luftdichte Gebäudehülle sowie dezentrale, mechanische Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung in den Wohnungen führen zu einem sehr geringen Heizwärmebedarf (s.o.). Die Wärmeerzeugung für Heizung und Warmwasser erfolgt über eine elektrische Wärmepumpe mit 120 kW thermischer Leistung, als Wärmequelle wird der nahegelegene Abwasserkanal genutzt, der zwischen 8 und 15 Grad aufweist. Wegen der Nähe zum Main wurde auf die Nutzung von Geothermie verzichtet. Die Wärmeübertragung in den Wohnungen erfolgt aus Kostengründen durch konventionelle Niedertemperatur-Heizkörper.

Um das Ziel des Plusenergie-Wohnhauses zu erreichen, sind zur Energieerzeugung nicht nur das Dach, sondern auch die Südfassade mit Photovoltaikmodulen belegt.
Auf dem ca. 1.500 Quadratmeter grossen auskragenden Pultdach befinden sich 769 hocheffiziente Module mit einem Wirkungsgrad von 20 Prozent und einer nominalen Leistung von ca. 250 kWp. Auf der Südfassade sind insgesamt 348 PV-Module mit einer Leistung von ca. 120 kWp installiert. Der jährliche Stromertrag aus den PV-Anlagen wurde mit etwa 300.000 kWh/a berechnet.
Der eigen-erzeugte Strom wird in einer Li-FePo-Batterie mit rund 250 kWh Kapazität im Untergeschoss des Hauses gespeichert. Dieser Puffer dient dem Ausgleich von Angebot und Nachfrage an Elektrizität im Gebäude. Damit soll ein hoher Eigenstrom-Nutzungsanteil aus den PV-Anlagen erreicht werden. Als weiterer Puffer dienen die Akkus von derzeit drei Elektro-PKWs, die den Mietern von der AGB in Kooperation mit dem Energie-Unternehmen Mainova und einem Car-Sharing-Unternehmen als Mobilitätslösung angeboten werden.
Alle Wohnungen wurden von der ABG mit besonders sparsamen Haushaltsgeräten ausgestattet. Zur Energie- und Haustechnik äussert sich Prof. Hegger: „Nur 15% des gesamten Energiebedarfs entfallen auf Heizung, die Warmwasser-Bereitung verbraucht einen größeren Anteil. 70 % des Energieverbrauchs entfällt auf den Strombedarf, davon benötigt die Wärmepumpe nur einen kleinen Teil, der Rest ist für die Haushaltsgeräte, trotz deren höchsten Energiesparstandards.“ Das ergab die Forderung nach voll eingerichteten Küchen plus Waschmaschinen und Trockner mit reduzierten Verbräuchen.

Wirtschaftlichkeit trotz komplexer Technik

Zur Wirtschaftlichkeit sagte Prof. Hegger: „Für die ABG muss sich jedes Projekt rechnen und auch dieses Projekt wurde nicht subventioniert. Das gilt auch für die aufwändige PV-Anlage in der Fassade. Wenn gesagt wird, PV in der Fassade sei erheblich zu teuer, ist das keine Funktion der PV, sondern der Ertrag in der Fassade ist geringer als auf dem Dach, gerade auch in der Verschattungssituation im innerstädtischen Umfeld. Der Ertrag in der Fassade dieses Aktiv-Stadthauses ist entscheidend dafür, dass wir bei der Energie-Situation im Plus sind.“
Und Frank Junker, Geschäftsführer der ABG führt aus: „Die ABG subventioniert niemanden und nichts. Jedes unserer Projekte muss daher von Anfang an einen positiven Deckungsbeitrag leisten. Das heißt für uns, wenn die Investitionsrechnung, egal ob Passivhaus oder Aktiv-Stadthaus oder eine Modernisierungsmaßnahme nicht zu einem positiven Ergebnis führt, wird das Projekt nicht realisiert. Unsere bisherigen Passivhaus-Projekte schließen mit einem hervorragenden Ergebnis ab. Wir halten die Kostenbudgets ein und liegen bei diesen Objekten bei Bau-Mehrkosten von 5 bis max. 7% im Verhältnis zu Gebäuden, die nicht den Passivhaus-Standard erfüllen. Wenn ich die EnEV 2014 anwende, schmilzt dieser Kostenblock noch einmal, weil neue Gebäude ohne Lüftungsanlage dann ohnehin nicht mehr auskommen. Ähnlich ist die Situation beim Aktiv-Stadthaus: es gibt eine Investitionsrechnung, die zu dem Ergebnis kommt, dass das Gebäude eine Brutto-Anfangsrendite von ca. 5% ergibt. Darunter machen wir es nicht.“

Jörg Pfäffinger

Fotos: Barbara Staubach

Bauherr: ABG FRANKFURT HOLDING
www.abg-fh.com

Architekt: HHS Hegger Hegger Schleiff, Kassel
www.hhs.ag

Technische Gebäudeausrüstung und Bauphysik: EGS-plan, Stuttgart
www.stz-egs.de

Holzbau: Gumpp & Maier GmbH, Binswangen
www.gumpp-maier.de

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