Ökologisches und energieeffizientes Bauen als Prozess

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Autor: Prof. Dr. Dagmar Everding

Ein Wiedersehen mit dem Ökotop Heerdt in Düsseldorf (Juni 2016)

Zwei Entwicklungen kamen damals – Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre – zusammen: eine Bürgerinitiative, die sich für Stadtgrün im Düsseldorfer Nordwesten einsetzte und eine Landesregierung, die mit einem Landeswettbewerb und mit Hilfe der sozialen Wohnungsbauförderung Impulse für ökologisches Bauen setzen wollte. Auf einer Brachfläche an der Bundesautobahn A 52 (16 Hektar) entstanden 25 Reihenhäuser und 140 Wohnungen in Geschossbauweise, davon 20 Eigentumswohnungen und 120 öffentlich geförderte Wohnungen. Ein großer Teil der Brache wurde zu einer ökologisch bewirtschafteten Grünanlage entwickelt, die sich aus einem öffentlichen Park und aus 60 naturnahen Gärten zusammensetzt. Klaus Spitzer setzte hier gemeinsam mit der Bürgerinitiative in einem langjährigen Prozess Ideen der Permakultur um. Die Landschaftspflege hat der Verein Ökotop Heerdt e. V. in Abstimmung mit der Stadt Düsseldorf übernommen. Das ökologische Siedlungskonzept bildet sich in einem Rahmenplan ab, den die Bürgerinitiative 1986 u. a. mit Hilfe des Architekten Prof. Dr.-Ing. Gerhard Loeschke erarbeitete. Die städtebauliche Planung sieht an der befahrenen Krefelder Straße eine mehrgeschossige Bebauung vor, welche die dahinter gelegenen Einfamilienhäuser vor dem Straßenlärm schützt. Die Gebäude sind energetisch kompakt geplant mit guter Ausrichtung zur Sonne. Die Bebauung ist flächensparend angelegt, um einen hohen Anteil des Geländes für die Grünanlage nutzen zu können.

Bei meinem aktuellen Besuch der Ökosiedlung spielte das Wetter nicht so richtig mit. An diesem kühlen Junitag (Sommer 2016) traf ich in dem weitläufigen Permakultur-Park fast keine Menschen an, nur noch wenige der naturnahen Gärten erweckten den Eindruck einer intensiven Nutzung. Umso lebendiger wirkten die bebauten Bereiche, sowohl die bestehende Siedlung als auch ihre Erweiterung. Am Ende der Bauphase befindet sich eine Siedlungserweiterung um 33 Reihenhäuser, 12 Eigentumswohnungen und eine Kindertagesstätte. Bauträger ist die Wilma Wohnen West GmbH (WILMA) in Ratingen.

Grüne und autofreie Erschließung

Vorbei an durch Bäume und Hecken eingefassten Gemeinschaftsstellplätzen gelangt man in das abgestufte Fußwegesystem der Siedlung. Zu den Haustüren führen schmale Wege, teilweise von Ziegelmauern und Hecken begleitet, die den Eindruck eines fast privaten Raumes erwecken. Breitere Wegeachsen erlauben eine zweckgebundene Befahrbarkeit z. B. für Wirtschaftsfahrzeuge, die Feuerwehr u. a.. Diese Wegeachsen weiten sich an zentralen Stellen, um Sitzplätze und Spielmöglichkeiten aufzunehmen. Den verschiedenen Hausgruppen sind überdachte und eingezäunte Fahrradstellplätze zugeordnet, die in der Regel ebenfalls eingegrünt sind. Fast jede dieser Einrichtungen zeigte sich an diesem Tag gut gefüllt, vermutlich ist der Bedarf noch höher als das Angebot. Das Regenwasser wird über Rigolen abgeleitet und versickert im Gelände.
Die Grundmerkmale der grünen und autofreien Erschließung übernimmt auch das Erweiterungsprojekt der WILMA. Das gilt für die Gemeinschaftsanlagen für PKW-Stellplätze und für Fahrräder, für das Fußwegesystem und für die Begrünung. Eine weitere ökologische Qualität stellen die begrünten Dächer z. B. von Gemeinschafts-Carportanlagen dar.

Gebäude mit ökologischer und sozialer Qualität

Wären nicht die Fassadenteile aus Holz unterschiedlich stark verwittert, würde man nicht sehen, dass die Gebäude im Schnitt 25 Jahre auf dem Buckel haben. Eingänge und Treppenhäuser wirken gepflegt, ebenso die schön gestalteten Innenhöfe und das Fassadengrün. Die Holzverkleidung besteht aus unbehandeltem Lerchenholz, dessen Verwitterungsstärke vom Aussetzen von Sonne und Regen abhängt. Die Eigentümer der Reihenhäuser haben leider die Holzelemente an den Fassaden nachbehandelt, worunter die Langlebigkeit des Holzes leidet. Der Gebäudekomplex der Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen (LEG NRW) beeindruckt durch das sich an den Fassaden der Mehrfamilienhäuser hochrankende Grün. Vor allem in den Innenhöfen schafft das Fassadengrün lauschige Aufenthaltsbereiche für ein gemeinschaftliches Wohnen. Die LEG war ein landeseigenes Unternehmen, das den baupolitischen Zielen des Landes verpflichtet war. Nicht zuletzt die sozial und ökologisch innovativen Projekte dieses Unternehmens führten zur Einrichtung des Sonderprogramms „Zukunftsweisende Bauvorhaben“ mit besonderen städtebaulichen, sozialen und ökologischen Qualitäten als Teilkontingent des öffentlich geförderten Wohnungsbaus in Nordrhein-Westfalen, und zwar im Zeitraum von 1991 bis 1999. Dank des Engagements der LEG konnte das Ökotop Heerdt eine soziale Mischung im Wohnungsangebot realisieren.

Ökologisches Zentrum

Mitten im Gelände stößt man auf das Ökologische Zentrum, dessen umweltpädagogische Arbeit vom Verein Ökotop Heerdt getragen wird, und das sich auch als Begegnungsstätte versteht. Das laufende Programm des Zentrums ist vielfältig. Es werden Weiterbildungskurse zum ökologischen Gärtnern und Landschaftsbau angeboten, z. B. „Mit Weide Naturspielräume gestalten“, mit Flüchtlingen wird gemeinsam gekocht und der Verein beteiligt sich am Saatgutfestival, bei dem es um die Saatguterhaltung für nachhaltiges Gärtnern geht.

Heerdt_Ökologisches Zentrum

Ökologisches Zentrum in Heerdt

Gesamteindruck

Zu den aktuellen Diskussionen über die Anpassung der Städte an den nicht mehr völlig zu vermeidenden Klimawandel bietet das Ökotop Heerdt einen überzeugenden Lösungsbeitrag: Bauen in flächensparender Dichte mit intensiver Begrünung und Regenwasserversickerung, eingebunden in eine großzügige Stadtnatur mit hoher Artenvielfalt und gleichzeitigem Nutzen für die Bewohner. Aber auch Defizite sollen genannt werden: der unzureichende Lärmschutz an der A 52, der zu einer Verlärmung des Gebietes führt, sowie die fehlende unmittelbare Nahversorgung. Wünschenswert wäre eine stärkere Verbreitung des städtebaulichen Konzepts und der Qualitäten dieser ökologischen Siedlung.

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